Rede bei der Montagsdemo des Gifhorner Bündnis für Solidarität

Unser Genosse Victor hat am Montag, den 24.01.22, bei der turnusmäßig stattfindenden Demo des Gifhorner Bündnisses für Solidarität eine großartige Rede gehalten, die wir hier gern zum Nachlesen zur Verfügung stellen:

Liebe Leute,

wir haben uns heute hier versammelt, um der unheiligen Allianz von Corona-Leugnern und Rechten, die sich dort am Schillerplatz zusammengetan haben, etwas entgegenzusetzen.

In dieser Ansprache geht es mir in der Hauptsache aber nicht um die sogenannten „Querdenker“. Sondern es geht mir um die Corona-Politik der Regierenden. Denn obwohl ich die „Querdenker“ für eine Bewegung halte, die ein wissenschaftsfeindliches, verschwörungsideologisches und – ja – in teilen rechtsradikales Weltbild vertreten, sind sie nur das Ergebnis, nicht aber die Ursache eines völligen Versagens der Regierenden im Kampf gegen die Corona-Pandemie.

Die Tatsache beispielsweise, dass die Impfstoff-Patente nach wie vor nicht freigegeben sind und dadurch vor allem den armen Ländern im globalen Süden unmöglich gemacht wird, ihre Bevölkerungen mit dem Impfstoff zu versorgen, ist nicht die Schuld der „Querdenker“, sondern die Schuld der Regierenden der reichen Länder in Europa und Nordamerika, zu denen auch die deutsche Bundesregierung gehört. Die Konsequenz einer solchen Politik, die die Profite der Impfstoff-Hersteller höher gewichtet als die Gesundheit und das Leben von Menschen in den Drittwelt-Ländern, führte zum Tod von Millionen Menschen, der durch die Herstellung günstiger Impfstoff-Generiker hätte vermieden werden können. Auch führt der Impfstoffnationalismus der Bundesregierung dazu, dass aufgrund der geringen Impfquote in den armen Ländern Mutationen des Virus auftreten, die wiederum auf die reichen Länder übergreifen können. Anschaulichstes Beispiel dafür ist Omikron – eine Virus-Variante aus Südafrika. Südafrika ist ein Land mit einer Impfquote von gerade einmal 27 Prozent vollständig Geimpften. Zugleich verkaufen die Hersteller die Impfstoffe an arme Länder zu mehr als das doppelte des normalen Preises. Obwohl diese armen Länder also finanziell schlechter aufgestellt sind als die reichen, verlangen die Hersteller nicht weniger, sondern sogar mehr und machen also damit auch noch höhere Profite. Das Ergebnis dieser Politik spüren wir heute mit Omikron in ganz Europa. Die Blockadehaltung in der Frage der Freigabe der Impfstoff-Patente und der Impfstoffnationalismus der Bundesregierung und der übrigen westlichen Welt ist daher nicht nur menschenverachtend und verbrecherisch, weil es den Tod von Millionen Menschen in armen Ländern billigend in Kauf nimmt, sondern auch beschränkt und kurzsichtig, weil es auch die eigenen Bevölkerungen der reichen Länder der ständigen Gefahr durch neue Virusmutationen aussetzt.

Auch die Tatsache, dass das Gesundheitssystem durch jahrelange Unterfinanzierung, Ausrichtung auf den Gewinn sowie Privatisierung jetzt in der Corona-Pandemie immer am Rande des Zusammenbruchs steht, ist nicht die Schuld der „Querdenker“, sondern die Schuld der Regierenden in den letzten Jahrzehnten. So wurde die Privatisierung von Krankenhäusern seit den 1990er Jahren wesentlich durch die CDU in die Wege geleitet und später fortgesetzt durch Rot-Grün. Die Privatisierungswelle hat eine Entwicklung in Gang gesetzt, bei der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen einem enormen Kostendruck ausgesetzt worden sind, der Druck auf die Löhne ausübte und zu einer Reduzierung des Personals geführt hat. 2003 wurde zudem das Fallpauschalen-System eingeführt. Statt alle entstehenden Kosten in der Gesundheit einfach zu decken, legte das Fallpauschalen-System einen bestimmten Betrag für bestimmte Gesundheitsleistungen fest. Das sollte vor allem den Effekt haben, Krankenhäuser in einen Wettbewerb gegeneinander zu zwingen. Tatsächlich hat das Fallpauschalen-System aber der Ökonomisierung im Gesundheitsbereich Vorschub geleistet auf Kosten von Beschäftigten und Patienten. Wie unter einem Brennglas machte die Corona-Krise den perversen Effekt dieses Fallpauschalen-Systems deutlich: In der „Ärztezeitung“ vom 06.12.2021 wurde etwa vermeldet, dass die festgelegten Fallpauschalen die Kosten von Corona-Intensivpatienten nicht decken können. Die „taz“ berichtete, dass das dazu führt, dass manche Krankenhäuser lieber überlegen, lukrative Operationen mit hohen Gewinnspannen durchzuführen, statt die Betten für Corona-Patientinnen und -Patienten frei zu machen – also für genau diejenigen, die es besonders brauchen.

Federführend bei der Einführung der Fallpauschalen waren im Übrigen keine „Querdenker“, die es 2003 auch noch gar nicht gab, sondern die SPD, genauer gesagt: niemanden Geringeres als der jetzige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, als engster Berater der damaligen SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt.

Die Zustände, wie ich sie gerade beschrieben habe und die wir alle erleben, müssten aber nicht sein. Es könnte auch anders sein, indem die Politik die Gesundheit und das Wohl der breiten Masse der Bevölkerung höher gewichten würde als privatwirtschaftliche Profitinteressen. Wir als Gifhorner Kreisverband der Partei DIE LINKE fordern deshalb die Freigabe der Impfstoff-Patente, um die globale Impfstoff-Apartheid abzuschaffen, damit auch armen Ländern Zugang zu Impfstoffen zu verschaffen und um das Auftreten und Ausbreiten neuer Virusmutationen – hier in Deutschland und in der übrigen westlichen Welt – zu verhindern.

Wir fordern mehr Geld und mehr Personal für Gesundheit und Pflege; Ausfinanzierung statt Fallpauschalen-System; den Stopp jeglicher Privatisierungen im Gesundheitsbereich und im Gegenteil: die Rekommunalisierung von Krankenhäusern, hier in Gifhorn und auch überall anderswo.

Dass wir hier stehen und ein Zeichen gegen die Verschwörungsideologen, Corona-Leugner, Impf-Verweigerer und Faschisten und für Solidarität in der Krise setzen, ist gut und richtig. Die Ursache aber dafür, dass die Corona-Pandemie noch immer nicht beendet ist und dass Millionen weltweit sterben mussten, ist nicht die Schuld von einigen wenigen Extremisten, sondern des Normalbetriebes – eines Normalbetriebes, der auf einem Wirtschaftssystem beruht, das Profitmaximierung vor Menschenleben stellt.